Das Ende

Du bist seltsam, Ada, aber ich liebe dich, sagte Bo jetzt. Ich hielt den Hörer in der Hand und mein Nacken wurde heiß. Gehen wir auf den Friedhof am Sonntag, fragte ich und Bo schwieg. Bo, sagte ich und er räusperte sich. Ich habe dir etwas sehr Wichtiges gesagt, Ada, und du musst dazu etwas sagen, sagte Bo.
Was soll ich sagen, fragte ich. Ich hatte so viele Wörter, ich liebte die Sprache, ich hatte sie studiert, und nun half sie mir nicht, gab mir keine passenden Worte, nur ein Krächzen, etwas Vorsprachliches, nichts, das Bo verstand, nichts, das es mir selber erklärte. Bo, sagte ich, was soll ich dir sagen. Liebst du mich, sagte Bo, ich muss es wissen.
Ich schwitze und der Hörer rutschte in meiner Hand. Ich dachte nach und ich wusste, dass dies der Moment war, und ich sagte, Bo, das ist der Moment, oder? Bo sagte, ja, und mein Nacken brannte. Ist es so schwer, fragte Bo. Nein, dachte ich, aber das ist keine Antwort, keine, die du hören möchtest. Was ist eine Antwort? Bo, hämmerte es in meinem Kopf. Was sollte ich ihm sagen?
Ich dachte an sein verschwitztes Haar und seine blitzenden Augen und an die Wollsocken auf dem Wohnzimmertisch und an Bo, der aus dem Stall kam mit hochgekrempelten Ärmeln und Schmutz im Gesicht. Ich sah ihn vor mir, wie er mit seiner Nase im Weinglas jede einzelne Traube würdigte, bevor er trank, und wie er Siegfried zärtlich über den Kopf strich. Es waren kleine perfekte Momente. Momente, die keiner Worte bedurften, doch jetzt brauchte ich sie und fand keine. Bo, flüsterte ich.
Ich dachte an seine Küche, die nach Schwein roch, und an seinen messerscharfen Verstand, und ich dachte an Bo, wie er neben mir in der Oper saß, sie sonst wilden Haare ordentlich gescheitelt, meine Hand nahm und die Musik plötzlich vielfarbig wurde. Mir fiel meine Mutter ein, die mich fragt, kocht dein Blut, Ada, kannst du es fühlen, und ich fühlte in mich hinein und damals sah ich es nicht, weil ich es nicht kannte, aber jetzt war es da, eine Atemnot, ein Wortstillstand und ein großer Schmerz, und ich flüsterte, ich liebe dich, Bo, in das Knacken am anderen Ende der Leitung, und das Schweigen stimmte unser Ende an wie ein Fanfare. Ich wusste nicht, was es bedeutete.

aus: Nicole Balschun: Ada liebt. Dumont, 2011. Seite 9 & 10.

Zitat

Wir können vor lauter Angst nicht auf Zehenspitzen durchs Leben schleichen

Musik


Sophie Hunger
The Danger Of Light

Brandenburgische Wörter

(1) kaupeln (2) Plins (3) wa (4) lutschen (mit langem u) (5) nich (6) luntschen (7) tikschen (8) nüscht (9) zutschen (10) rückzu (11) schlurfen (12) schnurpsen

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