der herbst ist immer noch schön, auch wenn die farbe den dicken regentropfen gewichen ist, die drinnen und draußen an die scheiben schlagen. ich halte tapfer dagegen und ziehe weiterhin am liebsten gelb in diesen tagen an. aus versehen (oder wahrscheinlich auch nicht) sind meine gedanken meist woanders als da, wo sie sein sollten. ich habe sehnsucht nach ein bisschen großem glück, happy endings für die freunde und heißer schokolade.

I.

Wir schreien uns an, ich brülle, dass wir jetzt am Ende sind
denn da hinter dem Wind, diesem einstürzenden
Gebäudekomplex, ist das Meer, ganz

ohne Baustellen, schaumig
und voller Angriffsflächen

keine Autos, keine Spuren

von Bürostühlen
von Schallwellen

haben unsere Ohren die Größe
ich rufe, dass ich alles verstehe

jetzt, wir lesen lauter
zukünftige Küsse von

unseren Lippen, das Meer ist unsere Notration Wasser

der Wind schluckt alles und nimmt nicht zu
ernst, was wir über unser bisheriges Leben

zu sagen haben

II.

Fliegen sind die einzigen Hindernisse,
sie landen auf Hauttönen in Dur,
man kratzt sich mit Verzögerung da

wo sie saßen und lächelt
in die richtige Richtung, so

sitzen wir beim Frühstück, so

gehen wir ins Dorf, so halten wir
Reden über Selbstverwirklichung

unter Verschluss wie Tonbänder
auf den wir uns versprachen

in der dunkelsten Nacht fährt die Insel auf See
es ist so leise, leise wie eine Welt ohne Fliegen

deine Gegenwart ist eine Jahreszeit

in der die Fingerabdrücke auf den Ohren bleiben
morgen tönt blechern der Fasan vor dem Haus

wie ein Briefkasten voller guter Nachrichten

Herbert Hindringer

(aus: Nähekurs. Fixpoetry Verlag. 2. Auflage 2012)

einatmen. nur ein. satt sehen. die augen schließen. hinter horizonte blicken.

... durch worte, gedanken, lachen. weinen & schweigen. ein ziel haben, viele wege dorthin ausprobieren. trampelpfade nehmen. ausruhen. neues entdecken, altes hinterfragen. freunde finden. um die liebe kämpfen. sich selbst nicht verlieren. an die liebe glauben. an einem ort bleiben. immer wieder: heimweh nach irgendwo. vielleicht nach hier. wahrscheinlich nach dem meer. sich fallen lassen in ungewissheiten. sich sicher sein. die guten ratschläge auch selbst glauben. nachdenken. beten. hören. hoffen. dem anderen nahsein.
und das alles in diesem herbst.

manchmal hilft ein bisschen ferne. mit abstand auf dinge sehen, ehrlich sein mit sich und anderen. sich leise entfernen oder ganz abschied nehmen. nähe fühlen. den eigenen herzschlag spüren. mit weitsicht voran.

"Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, dass du mein Elend ansiehst und nimmst dich meiner an in Not ... Du stellst meine Füße auf weiten Raum." Psalm 31,8

:: gegen doch aufkommende herbstmelancholie. ganz kurz & heftig. ich bin für sonnengelb, das die leerstellen im leben ausleuchtet. für knallrot, das die schweren herzen der freunde wärmt. für lächeln, trotz allem.

"Ich glaube, der November ist sich selber peinlich." Diesen Satz habe ich letztens gelesen und musste erst schmunzeln und dann vehement widersprechen. Denn: Jeder Monat ist auf seine Art schön. Ich liebe zum Beispiel den Morgennebel, die klaren Nächte und dass die Kälte jetzt wieder so schön knackt. Der November gilt ja als grau, aber hey, was ist gegen knallgrau zu sagen? Damit es für die Herbstmelancholiker unter uns nicht zu düster wird, gibt es ab heute ein paar richtig schöne Bilder mit viel Farbe fürs Herz. Zu dieser Gelegenheit zeige ich euch auch gleich meinen Lieblingsort in der Wohnung. Mein Sessel, von den Nachbarn geschenkt.

Auch das ist Kunst, ist Gottes Gabe,
aus ein paar sonnenhellen Tagen,
sich soviel Licht ums Herz zu tragen,
dass, wenn der Sommer längst verweht,
das Leuchten immer noch besteht.

Johann Wolfgang von Goethe